Der Einfluss von Deutsch als Zweitsprache auf Chinesisch als radikale Pro-Drop-Sprache

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Der Einfluss von Deutsch als Zweitsprache auf Chinesisch als radikale Pro-Drop-Sprache Chia-Yi Hsu Zusammenfassung Die vorliegende Arbeit untersucht die Beeinflussung des Pro-Drop-Verhaltens im Kontext von Sprachkontakt am Beispiel des Sprachenpaars Chinesisch als Erst- bzw. Muttersprache (L1) und Deutsch als Zweitsprache (L2). Dabei soll erforscht werden, ob und wie sich sehr gute Kenntnisse des Deutschen mit entsprechend intensivem Kontakt zu dieser Sprache auf Muttersprachler des auf Taiwan gesprochenen Chinesisch (Guóyǔ) in Bezug auf ihr Pro-Drop-Verhalten und ihre Fähigkeit zur pragmatische Inferenz auswirkt. Damit vergleicht diese Studie nicht nur zwei typologisch maximal divergierende Sprachsysteme, sie greift auch die in der Kontaktlinguistik selten diskutierte Richtung von L2 auf L1 auf. Das Deutsche ist eine Nicht-Pro-Drop-Sprache, das Chinesische dagegen eine radikale Pro-Drop-Sprache, in der die fehlende overte Information zum Subjekt bzw. zum Objekt durch pragmatische Inferenz erschlossen werden muss, da es keine Verbkongruenz gibt. Darüber hinaus erlaubt Chinesisch sowohl radikalen Pro-Drop als auch Topik-Drop, während Deutsch nur Topik-Drop erlaubt, wobei Nullsubjekte und Nullobjekte im einfachen Satz durch das zum Topik bewegte Argument koindiziert sind (J. Huang 1984). Die Transferforschung liefert Evidenz dafür, dass die Einflussrichtung einerseits von sich in beiden Sprachen überlappenden und eindeutigen Strukturen abhängt (Yip & Matthews 2007) und andererseits von der Komplexität der Satzverarbeitung in Referenzialisierungsverfahren. Auf dieser Basis werden in der Arbeit die folgenden beiden Hypothesen erstellt: (i) Chinesische L1-Sprecher mit intensivem Bezug zum Deutschen transferieren den Gebrauch von overten Argumenten in ihre L1 und gebrauchen daher radikalen Pro-Drop weniger häufig. (ii) Die Veränderungen in der Pro-Drop-Kompetenz von Chinesisch als L1 hängt bei Sprechern mit intensivem Kontakt mit Deutsch von soziolinguistischen Einflussgrößen ab. Zur Klärung der Hypothesen wird diese Arbeit in fünf Kapitel aufgliedert. Nach einer Darstellung der theoretischen und empirischen Ausgangslage in Kapitel 1 und des Designs der Experimente in Kapitel 2 erfolgen in Kapitel 3 die Darstellung der statistischen Methoden sowie die Datenanalyse und die Diskussion der Resultate bezüglich der beiden Hypothesen. Kapitel 4 vertieft die Diskussion der Beziehung von Pro-Drop mit soziolinguistischen, pragmatischen und syntaktischen Variablen. Die Schlussfolgerungen und weitere Implikationen in Kapitel 5 beenden die Arbeit. Die Daten umfassen einerseits Vorstudien zu den soziolinguistischen Hintergründen der Probanden sowie zum Sprachstand im Chinesischen und Deutschen und andererseits mündliche und schriftliche Experimente zur konkreten Verwendung von Pro-Drop bei Argumenten im Vergleich zwischen einer in Deutschland lebenden Testgruppe von 17 muttersprachlichen chinesischen Probanden mit sehr guten Deutschkenntnissen und einer in Taiwan lebenden Kontrollgruppe von 19 monolingualen chinesischen Probanden. Weiter wird die Wahl von overter Form vs. Nullform (Pro-Drop) bei den Probanden nach spezifischen Konstruktionen (Relativsätze, You-Exsitenzverb-Konstruktion und Komplementsätze mit unterschiedlichen Kontrolltypen) untersucht. Die statistischen Testverfahren und die strukturelle Analyse in dieser Studie belegen die Tendenz zur Reduktion von Pro-Drop im Chinesischen der bilingualen Testgruppe und zur Angleichung an den Topik-Drop-Parameter sowie die Kompetenz zur Referenzialisierung des Deutschen. Diese Sprachveränderungen hängen signifikant zusammen mit dem Faktor des L2-Einflusses, der syntaktischen Funktion, der Textsorte sowie des soziolinguistischen Hintergrundes und des Sprachniveaus. Diese kontaktinduzierten Sprachveränderungen lassen sich mit Bisangs Komplexitätskonzept (2009 etc.) so erklären, dass die durch Explizitheit motivierte Overte Komplexität des Deutschen sich durch kontaktbedingten Transfer infolge des strukturellen und referentiellen Transfers auf Strukturen des Chinesischen mit seiner durch Ökonomie motivierten Versteckten Komplexität überträgt, so dass die beiden im Wettstreit stehenden Motivationen eine neue Lösungsoption zur Reduzierung des pragmatischen Inferenzaufwands im Chinesischen fördern.

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