Untersuchungen zur Gruppenklassifikation mittels Ganganalyse bei Patienten*innen mit Morbus Parkinson, gleichaltrigen gesunden und jungen gesunden Personen anhand einer Methode des „maschinellen Lernens“

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Abstract

In Zukunft wird Morbus Parkinson (MP) als eine der häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen von zunehmender Bedeutung im klinischen Alltag sein (de Lau und Breteler, 2006; Dorsey und Bloem, 2018; Dorsey et al., 2018; Balestrino und Schapira, 2020). Aktuell sind subjektive Bewertungssysteme, wie der MDS-UPDRS Teil 3, zur Bewertung der motorischen Symptome Standard (Goetz et al., 2008). Mithilfe von Methoden des maschinellen Lernens wird in Studien daher versucht objektiv anhand von Gangparametern eine Gruppenklassifikation von Parkinsonpatienten zu ermöglichen. Hierfür wurden Gangparameter bei normalem Gehen mit selbstgewählter Geschwindigkeit erhoben. Ziel ist es durch Fortschritte in diesem Bereich die klinische Diagnosestellung und Verlaufskontrolle objektiv zu unterstützen und das neuronale Verständnis des Gangbildes zu erweitern (Zeng et al., 2016; Alam et al., 2017; Djurić-Jovičić et al., 2017; Joshi et al., 2017; Rehman et al., 2019). Ziel der Arbeit war es, erstmals und explorativ die Klassifizierbarkeit von Parkinsonpatienten anhand von Gangparametern auf einem Laufband bei 0,5 km/h, 1 km/h und 1,5 km/h mittels einer SVM zu untersuchen. Hierfür wurden Gangparameter von 35 Parkinsonpatienten (PD), von 33 Probanden älteren Alters (AG) sowie von 36 Probanden jungen Alters (JG) erfasst. Teil 1 dieser Studie betrachtete dabei explorativ die Selektion der relevanten Gangparameter nach dem Modell der besten Klassifikationsgenauigkeit; Teil 2 analysierte den Geschwindigkeitseinfluss auf die Klassifizierbarkeit. Teil 1 der Studie stellte fest, dass eine Reduktion der Anzahl an Gangparametern zu einer besseren Klassifizierung der Gruppen führt. Hierbei haben sich für alle Gruppenklassifikationen von 74 Parametern die 6 Parameter Schrittlänge (links und rechts), Doppelschrittlänge, Schrittzeit (links und rechts) sowie Doppelschrittzeit als am relevantesten herausgestellt. Im Kontext der Literatur könnte sich deren Relevanz vor allem durch die pathophysiologischen Faktoren: Hypo-, Bradykinesie, Rigidität, Asymmetrie und Gleichgewichtsstörung, die Einfluss auf die Stand- und Schwungphase haben können, erklären. Teil 2 dieser Studie zeigte, dass die höchste Geschwindigkeitsstufe die genauesten Klassifikationsergebnisse ermöglichte. Dies könnte mit einem unterschiedlichen Einfluss der Geschwindigkeit über die Gruppen hinweg sowie einem hierdurch bedingt unterschiedlichen krankheitsbedingten Einfluss auf die jeweiligen Gangparameter zusammenhängen. Zudem konnte durch die kombinierte Betrachtung aller Geschwindigkeitsstufen der sechs oben genannten Parameter nochmals eine deutliche Verbesserung der Klassifikationsgenauigkeit erreicht werden. Interessanterweise zeigten die für die SVM relevanten Parameter in der statistischen Analyse keine Gruppenunterschiede zwischen PD und AG auf. Dies könnte jedoch dadurch erklärt werden, dass die SVM auch die intraindividuellen Verhältnisse über verschiedene Parameter hinweg bewertet. Die Betrachtung verschiedener Parameter unterschiedlicher Geschwindigkeiten stellt vermutlich eine wertvolle Information für die SVM dar. Insgesamt zeigen die Ergebnisse dieser Arbeit, dass anhand der gesamten angewandten Methodik eine erfolgreiche Gruppenklassifikation von PD möglich ist. Trotz Anwendung der strengeren Kontrollmethode konnte im Vergleich zu anderen Klassifizierungsstudien eine eindeutig präzisere Klassifizierung belegt werden (Djurić-Jovičić et al., 2017; Rehman et al., 2019). Somit stellt die Ganganalyse auf dem Laufband bei Betrachtung unterschiedlicher Geschwindigkeiten einen neuen und vielversprechenden Ansatz zur objektiven Diagnoseunterstützung und Verlaufskontrolle bei der Parkinsonkrankheit dar. Um die Analyse in den klinischen Alltag zu etablieren sind weitere Studien nötig, die diesen Ansatz evaluieren, möglicherweise mit zusätzlichen Parametern und vor allem Aspekten der Differenzialdiagnostik erweitern. Die Ergebnisse dieser Arbeit heben vor allem die Bedeutung des Geschwindigkeitseinflusses bei der Betrachtung von Gangparametern hervor. Zudem ist die Methode auf dem Laufband ideal für weitere pathophysiologische Untersuchungen, bspw. mittels EEG oder EMG geeignet, um das neuronale Verständnis des Gangbildes bei MP zu erweitern.

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