Please use this identifier to cite or link to this item: http://doi.org/10.25358/openscience-5956
Authors: Baumeister, Bernhard Sebastian
Title: Chronischer Stress und Cortisolspiegel bei Arbeits- und Wegeunfällen
Online publication date: 29-Jul-2021
Year of first publication: 2021
Language: german
Abstract: Stress ist als physiologisches Zusammenspiel von Prozessen als Reaktion auf eine Umweltanforderung an den Organismus zu verstehen (Lazarus und Folkman, 1984). Berufsbezogener Stress bildet in unserer Gesellschaft einen erheblichen Anteil des Gesamtstresses und ist ein relevanter Morbiditätsfaktor (vgl. Chaifetz, 2020). Die Stressreaktion und -bewältigung kann durch verschiedene psychologische Modelle verdeutlicht werden und wird auf hormoneller Ebene unter anderem durch die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HHN-Achse) mit ihrem peripheren Hormon, dem Cortisol, reguliert. Eine Dysregulierung der HHN-Achse gilt als mitverantwortlich für die Entwicklung von psychischen Traumafolgestörungen wie der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) (Pervanidou und Chrousos, 2010). Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, ob Menschen, die in einen berufsbezogenen Verkehrsunfall verwickelt waren, ein höheres Maß an chronischem Stress empfinden, Veränderungen der HHN-Achse aufweisen und ob sich hieraus eine Prädisposition für Symptome von Traumafolgestörungen ableiten lässt. Hierzu erfolgte ein Vergleich mit einer Gruppe freizeitverunfallter Probanden. Eingeschlossen wurden Personen, die zwischen Oktober 2010 und Juni 2014 nach einem Verkehrsunfall in der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Universitätsklinikums Dresden oder des Klinikums Plauen behandelt wurden und zwischen 18 und 65 Jahren alt waren. Komorbiditäten oder Substanzeinnahmen, die die HHN-Achse beeinflussen könnten, wurden als Ausschlusskriterien definiert. Insgesamt wurden N = 220 Probanden eingeschlossen, hiervon n = 83 in der Arbeitsunfallgruppe und n = 137 in der Nicht-Arbeitsunfall-Gruppe. Zum Rekrutierungszeitpunkt wurden durch die Teilnehmer verschiedene psychologische Fragebögen ausgefüllt, außerdem erfolgte die Entnahme einer Haarprobe. Im Follow-up nach drei Monaten wurden die gleichen Fragebögen erneut ausgefüllt und eine zweite Haarprobe entnommen. Außerdem erfolgte eine Speichelprobengewinnung sowie eine Blutentnahme vor und nach Dexamethasoneinnahme im Rahmen eines Dexamethason-Hemmtests. Untersucht wurden die subjektiv erlebte chronische Stressbelastung sowie das Auftreten von Symptomen einer PTSD, Depression oder Angststörung. Die neuroendokrinologische Testung umfasste Analysen der Cortisol-Aufwach-Reaktion (CAR), der Haarcortisolspiegel in den drei Monaten vor und nach Trauma sowie der basalen und supprimierten Serumcortisol- und Plasma-ACTH-Spiegel. In der Arbeitsunfallgruppe zeigten sich zum Rekrutierungszeitpunkt höhere Levels an chronischem Stress mit signifikant höheren Mittelwerten in den Subskalen Arbeitsunzufriedenheit, Arbeitsüberforderung und chronische Besorgnis. In der Folgeuntersuchung wiesen die Arbeitsverunfallten zusätzlich einen signifikant höheren Mittelwert im Item Mangel sozialer Anerkennung und in den Screeningwerten auf. Darüber hinaus wurden in der Untersuchungsgruppe tendenziell höhere Werte auf den Skalen Ängstlichkeit und Depressivität gemessen. Der Prozentsatz an SKID-I-Diagnosen im Sinne von Traumafolgestörungen lag bei den Arbeitsverunfallten deutlich höher als in der Kontrollgruppe. Das Vorhandensein mindestens einer SKID-I-Diagnose zeigte einen signifikanten Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zur Arbeitsunfallgruppe. Außerdem war die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung einer Traumafolgestörung in Abhängigkeit des chronischen Stressniveaus zum Unfallzeitpunkt erhöht. Die Untersuchung der Haarcortisolspiegel ergab für die Arbeitsunfallgruppe einen signifikanten Abfall der Werte in den drei Monaten nach dem Unfall. Somit lässt sich schlussfolgern, dass Arbeitsverunfallte ein höheres Maß an chronischem Stress empfinden, auf ein Unfallereignis mit einem stärkeren Abfall der Cortisolspiegel reagieren und somit insgesamt vulnerabler für die Entwicklung von Traumafolgestörungen zu sein scheinen. Der Dexamethason-Hemmtest ergab bei insgesamt niedriger Zahl verwertbarer Proben keine Unterschiede zwischen den Gruppen. Ebenso zeigten die Untersuchungs- und die Kontrollgruppe keine relevanten Unterschiede in der CAR. Einschränkend anzumerken bleibt, dass insbesondere die neuroendokrinologische Testung aufgrund einer komplexen Präanalytik fehleranfällig ist. Hierdurch kamen mitunter hohe Dropout-Raten zustande. Ferner kann es zu einer Verzerrung kommen, da in der vorliegenden Kohorte mehr Frauen als Männer eingeschlossen waren, obwohl Männer häufiger nicht-tödliche Arbeitsunfälle erleiden (vgl. Europäische Statistik der Arbeitsunfälle, 2017). Weitere Studien mit größeren Fallzahlen und einer in Bezug auf das Geschlecht homogeneren Verteilung sollten durchgeführt werden, um eine mögliche größere Vulnerabilität für Traumafolgestörungen bei Arbeitsverunfallten zu untersuchen und hieraus etwaige Therapie- und Präventionsoptionen herzuleiten.
DDC: 150 Psychologie
150 Psychology
610 Medizin
610 Medical sciences
Institution: Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Department: FB 04 Medizin
Place: Mainz
ROR: https://ror.org/023b0x485
DOI: http://doi.org/10.25358/openscience-5956
URN: urn:nbn:de:hebis:77-openscience-3461a509-29a8-4943-a2f1-291980f021dc0
Version: Original work
Publication type: Dissertation
License: In Copyright
Information on rights of use: http://rightsstatements.org/vocab/InC/1.0/
Extent: 103 Seiten, Illustrationen, Diagramme
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