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Authors: Bürkle, Lena
Title: Tyrosinkinase - Inhibitoren bei nichtkleinzelligem Lungenkarzinom : eine Analyse des Patientenkollektivs der Universitätsmedizin Mainz von 2012 - 2016
Online publication date: 17-Jun-2020
Year of first publication: 2020
Language: german
Abstract: Proteinkinasen spielen eine entscheidende Rolle bei der Signalübertragung, der Zellproliferation, der Differenzierung und anderen Regulationsmechanismen. Die Identifizierung insbesondere von Tyrosinkinasen als therapeutisches Ziel für die Krebsbehandlung und die ATP - Bindungsdomäne von Tyrosinkinasen als attraktiven Angriffspunkt haben zur klinischen Entwicklung einer Reihe von Tyrosinkinase - Inhibitoren bei verschiedenen malignen Neoplasien, einschließlich Lungenkrebs, geführt. In den letzten Jahren führte die klinische Anwendung dieser Wirkstoffe in Verbindung mit dem Verständnis von dem nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) als heterogene Krankheit mit mehreren genetischen Untergruppen zu einem Gesamtüberleben von 21 - 30 Monaten bei Patienten mit einem fortgeschrittenen und mutierten NSCLC (12). Lungenkrebs stellt weltweit die häufigste Krebstodesursache dar (2). Oftmals sind durch Chemotherapie keine zufriedenstellenden Ergebnisse, Überlebensraten und tolerablen Nebenwirkungen zu erreichen. Dies bedingte die Forschung an Substanzen der Klasse der zielgerichteten Therapie, welche diejenigen Medikamente umfasst, die bestimmte Arten von Krebszellen identifizieren und angreifen, wobei gesunde Zellen weniger Schaden erleiden (8). Zielgerichtete Therapien blockieren die Wirkung bestimmter Enzyme, Proteine, Rezeptoren oder anderer Moleküle, die am Wachstum und der Ausbreitung von Krebszellen beteiligt sind oder sie helfen dem Immunsystem bei deren Bekämpfung (7, 8). Mittlerweile wurde eine Vielzahl von TKI entwickelt - die Therapie fand somit Etablierung im klinischen Alltag. TKI der ersten Generation fanden in Deutschland ab dem Jahr 2005 Anwendung (9). Ab dem Jahr 2013 kamen TKI der zweiten Generation auf den deutschen Markt, welche nun eine irreversible Bindung des Inhibitors am Rezeptor aufweisen (9, 30). Als Reaktion auf die Behandlung mit TKI dieser beiden Generationen bildeten sich bei den meisten Patienten nach 9 - 13 Monaten Resistenzmechanismen aus, was die Entwicklung von Drittgenerations - TKI mit nun verändertem Grundgerüst zur Folge hatte (30, 80). In dieser Arbeit wurde die Behandlung mit Inhibitoren von zwei der am intensivsten untersuchten Tyrosinkinasen, dem Epidermal growth factor Rezeptor und der anaplastischen Lymphomkinase, bei NSCLC untersucht. Es wurden alle Akten der Patienten gesichtet, welche im Tumorregister der Universitätsmedizin in den Jahren 2012 - 2016 gemäß des Diagnoseschlüssels „C34. - Bösartige Neubildung der Bronchien und der Lunge“ des ICD - 10 erfasst wurden. Nach Sichtung der in SAP hinterlegten Arztbriefe, wurden alle Patienten, deren Diagnose nicht NSCLC lautete und die nicht in der Abteilung Pneumologie der III. Medizinischen Klinik der Universitätsmedizin Mainz behandelt wurden, ausgeschlossen. Es folgte mittels eines erstellten CRF (englisch: case report form) die Untersuchung von 668 Patientendaten und davon eine nähere Betrachtung von 96 Patienten, die eine Therapie mit TKI erhielten. Anhand von Leitfragen und Hypothesen wurden neben Patienten- und Tumorcharakteristika evaluiert, wie oft EGFR Mutationen und ALK Translokationen auftraten, wie viele Patienten in welchem Alter, wie lang und mit welcher Substanz eine TKI Therapie erhielten und inwieweit sich daraufhin Resistenzmechanismen entwickelten. Bei 6% des Mainzer Patientenkollektivs war eine EGFR - Mutation nachzuweisen, bei 2% eine ALK - Translokation. Eine TKI Therapie wurde bei 85% bzw. 64% der EGFR- bzw. ALK - positiven Patienten durchgeführt, sowie bei 14% der Patienten mit einem Wildtyp - EGFR Nachweis. Bei der Wahl eines TKI war das Patientenalter kein relevanter Faktor. Die Verschreibung von TKI ist im Laufe der Jahre 2012 - 2016 nicht gestiegen. Insgesamt wurden die meisten Therapien mit Erlotinib durchgeführt, wobei sich dies über die Jahre stark wandelte und in den letzten Jahren Nintedanib nahezu die einzige Substanz der Wahl darstellte. Die Dauer der Einnahme variierte von einem Tag bis zu 4,6 Jahren mit einem Mittelwert von 317 Tagen und einem Median von 152 Tagen. Ein Progress war in erster Therapielinie bei 43% der Patienten und in zweiter Linie bei 64% das Therapieergebnis. Der Grund des Abbruchs der TKI Therapie war bei 48% Progress und bei 7% Unverträglichkeit. Treatment Beyond Progression wurde bei 6% der Patienten durchgeführt und war unabhängig von der eingenommenen Substanz. Bei 11% entwickelten sich Resistenzmechanismen in Form von T790M - Mutationen. Auch diese waren unabhängig von der zuvor eingenommenen Substanz. Bei 88% der Patienten wurde jedoch kein erneuter Mutationsstatus durch Rebiopsie erhoben. Es zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Dauer der Einnahme und der Ausbildung eines Resistenzmechanismus. Die evaluierten Werte entsprechen weitgehend der allgemeinen Studienlage und den Analysen von Praxisdaten. Auffällig war ein deutlich verminderter Nachweis des primären und erworbenen Mutationsstatus (11, 30-34, 87, 88). Dies könnte einerseits durch den Unterschied zwischen einem Studien- und einem Praxispatientenkollektiv und andererseits durch die fehlende Durchführung von molekularen Tests oder durch unzureichende Qualität beziehungsweise Quantität der Gewebeproben bedingt sein. Ebenfalls auffällig war eine TKI Therapie bei 14% der Patienten mit einem Wildtyp - EGFR Nachweis. TKI Therapie galt bei dieser Patientengruppe als eine Alternative zu Chemotherapie, wobei in diesem Falle mittlerweile eher auf Substanzen der Immuntherapie zurückgegriffen wird (90, 91). Die Dauer der Einnahme zeigte sich als ein signifikanter Faktor in der Entstehung eines Resistenzmechanismus. Dies kann jedoch auch kritisch betrachtet werden, da sich die Frage stellt, ob früher oder später nicht jeder Patient eine Resistenz entwickelt und somit andere Faktoren den Entstehungszeitpunkt einer Resistenz bestimmen. Die Daten dieser Arbeit entstammen nur einer Klinik, es konnte jedoch mit einer großen Stichprobe und Praxis- statt Studiendaten gearbeitet werden. Da für die Erhebung Sekundärdaten genutzt wurden, konnten fehlende Daten nicht ergänzt werden. Endpunkte wie Überleben oder eine Erhebung der Lebensqualität wären interessant und förderlich für die weitere Etablierung oder gegebenenfalls eine Umstrukturierung der TKI Therapieempfehlungen. Diese Daten können als Basis für dementsprechende Arbeiten oder Studien dienen. Der Wandel von rein zytotoxischer Chemotherapie zu gezielter molekularer Therapie hat einen großen Sprung in der Behandlung des fortgeschrittenen und metastasierten Lungenkarzinoms gemacht. Neben Erfolgen im progressionsfreien Überleben und einer Reduktion der Nebenwirkungen bringt dieser jedoch auch Problemstellungen wie die Nachfrage nach ausreichend sensitiven Testplattformen, den Kompromiss zwischen einer minimaltoxischen und effektiven Dosis, möglichen Wirkstoffkombinationen zur Optimierung des Outcomes und den optimalen Umgang mit Resistenzmechanismen mit sich.
DDC: 610 Medizin
610 Medical sciences
Institution: Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Department: FB 04 Medizin
Place: Mainz
ROR: https://ror.org/023b0x485
DOI: http://doi.org/10.25358/openscience-4944
URN: urn:nbn:de:hebis:77-diss-1000035872
Version: Original work
Publication type: Dissertation
License: In Copyright
Information on rights of use: https://rightsstatements.org/vocab/InC/1.0/
Extent: 79 Seiten
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