Epidemiologie von und Risikofaktoren für Kindesmisshandlung - Eine retrospektive Analyse klinisch-forensischer Untersuchungen von 368 Misshandlungsfällen

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Ziel der vorliegenden Arbeit war, anhand einer retrospektiven Auswertung von 368 Akten von Kindern mit Misshandlungsverdacht, welche im Zeitraum der Jahre 2004 bis 2015 am Institut für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin Mainz untersucht wurden, Risikofaktoren für Kindesmisshandlung zu explorieren und Aspekte misshandlungsbedingter Verletzungen auszuwerten. Die Auswertung erfolgte unter Einbeziehung einer Kontrollgruppe, die in der Ambulanz der Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin der Universitätsmedizin Mainz erhoben wurde. Die Ergebnisse werden mit der Allgemeinbevölkerung verglichen und in den Kontext der bestehenden Literatur eingeordnet, um sie für den praktischen Kinderschutz nutzbar zu machen. Als Ergebnis konnte das männliche Geschlecht des Kindes, das Säuglings- und Kleinkindalter, junge Eltern, das Leben in einem anderen Familienmodell als bei den leiblichen Eltern und die Bekanntheit der Familie beim Jugendamt im untersuchten Kollektiv als Risikofaktoren für körperliche Kindesmisshandlung identifiziert werden. Ein Migrationshintergrund der Eltern bzw. des Kindes, Vorerkrankungen des Kindes, die Geschwisterzahl und Stelle in der Geschwisterreihe sowie Schulbildung, Arbeitslosigkeit, Vorbestrafung, Substanzmissbrauch und psychische Erkrankung der Eltern konnten in dieser Studie bei fehlender Signifikanz, niedriger Erfassungsquote oder negativer Korrelation mit Kindesmisshandlung nicht bestätigt bzw. weder als Risikofaktoren bestätigt noch abgelehnt werden. Die Verletzungen waren in über 90 % Folgen stumpfer Gewalteinwirkung und manifestierten sich hauptsächlich an der Haut (86 %) und am Skelettsystem (22 %). In über der Hälfte der Fälle waren die Verletzungen an offensichtlichen Körperregionen gelegen und in mindestens 29% der Fälle wurden die Kinder mit Gegenständen misshandelt. In über der Hälfte der Fälle wurden wiederholte Misshandlungen und in nahezu 20 % lebensbedrohliche Verletzungen festgestellt. In über einem Drittel der Fälle (36 %) waren die Familien bereits beim Jugendamt bekannt. Bei der Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung sind neben kind- und familienbezogenen Risikofaktoren die Kriterien misshandlungsbedingter Verletzungen einschließlich einer Plausibilitätsprüfung des angegebenen Entstehungsmechanismus zu berücksichtigen. Das frühzeitige Erkennen von körperlichen Misshandlungsfolgen und die Einleitung weiterer Schritte zur Sicherung des Kindeswohls sollten schwere Verletzungen und deren Folgen sowie wiederholte Misshandlungen vermeiden. Die Ergebnisse der Studie unterstützen zudem eine frühe Identifizierung von Familien mit Einflussfaktoren für Kindesmisshandlung, um schon präventiv Hilfe- und Unterstützungsmaßnahmen einrichten und Folgeschäden vermeiden zu können. Letztlich kann die Intensivierung der interdisziplinären Zusammenarbeit (Medizin, Psychiatrie, Psychologie, Erziehungswissenschaften, Sozialarbeit, etc.) - auch im Bereich der Forschung - zur weiteren Vermeidung von Kindesmisshandlung führen.

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