Translating Race : Literarische Darstellungen und deutsche Übersetzungen des Afroamerikanischen
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„Translating Race“ weist mittels eines deskriptiv funktions- und wirkungsorientierten Ansatzes nach, dass deutschsprachige Übersetzungen von US-amerikanischen Romanen, in denen das Afroamerikanische bedeutungskonstituierendes Element ist, dazu tendieren, über die Übertragung der Sprache Schwarzer Romanfiguren den deutschen Texten „rassische“ bzw. rassistische Konnotationen einzuschreiben, die im „Original“ nicht vorhanden sind. Untersuchungsgrundlage sind sieben Romane – u. a. Harriet Beecher Stowes Uncle Tom’s Cabin, Alice Walkers The Color Purple und Danzy Sennas Caucasia – und ihre jeweiligen Übersetzungen, erschienen im Zeitraum von 1852 bis 2015.
Zur Übertragung des Afroamerikanischen ins Deutsche kommen verschiedene Strategien zum Einsatz. Diese reichen von der Standardisierung ins Hochdeutsche über die Ersetzung durch einen deutschen Dialekt oder die überregionale deutsche Umgangssprache bis hin zur Übertragung in eine erfundene nicht-standardsprachliche Varietät. Die konnotative und wirkungsbezogene Tragweite translatorischer Entscheidungen in Bezug auf das Afroamerikanische, das Ausdruck der in Literatur maßgeblich über Sprache evozierten „rassischen“ Identität seiner SprecherInnen ist, wird erst werkspezifisch und im Vergleich mit den Ausgangstexten sichtbar. Dabei sind in allen analysierten Romanübersetzungen inhaltliche und ideologische Verschiebungen festzustellen. Während die amerikanischen Texte Schwarz-Sein über die afroamerikanische Sprache mit einer individuellen Stimme und identitäts- und gemeinschaftsstiftender Relevanz versehen, aus der Marginalisierung befreien und performatorisch mehrdimensionalisieren, werden Schwarze Figuren in deutschsprachiger Übersetzung als stumm, „anders“ und marginal dargestellt und damit auf Schwarzenstereotypen und mithin zu Karikaturen reduziert.
Die in der Übersetzung stattfindende Simplifizierung der in den „Originalen“ aufgeworfenen Fragen zum Verhältnis zwischen Schwarz und Weiß und zu „rassischer“ Identität ermöglicht ferner die Universalisierung des Erzählten. Durch den Wegfall der historischen, kulturellen und identitätsbezogenen Assoziationswelt des Afroamerikanischen wird die spezifische Erfahrung Schwarzer in den Vereinigten Staaten in den deutschsprachigen Übersetzungen zu Narrativen universeller sozialer Ungerechtigkeit umgeschrieben. Auf deutsche Lebensverhältnisse übertragbar, werden die Romanstoffe – auch zu politischen Zwecken – ideologisch funktionalisierbar. Dadurch sind solche Übersetzungen bis heute subtiles und machtvolles Vehikel zur Weitergabe und zum Erhalt „rassischer“ Differenzierungen und rassistischer Ideologie.
Die wissenschaftliche Beleuchtung dieses Zusammenhangs liefert nicht nur Handreichungen für die praktische literarische Übersetzungsarbeit. Sie ergänzt in den Translationswissenschaften die Erforschung von Machtstrukturen und -verhältnissen in und durch Übersetzungen. Die Transnational American Studies profitieren durch Erkenntnisse zu zum einen Konstruktionen von „Rasse“ und Rassismus durch Literatur als Teil von amerikanisch-deutschen Austauschprozessen sowie zum anderen von der Erschließung neuer Bedeutungs- und Verständnisebenen des „Originals“ über die Sprache der Übersetzungen.