Uralte Götter und Unterweltsgötter. Religionsgeschichtliche Betrachtungen zur „Sonnengöttin der Erde“ und den „Uralten Göttern“ bei den Hethitern
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In dieser Arbeit wird auf Grundlage der hethitischen Texte eine umfassende Darstellung der Sonnengöttin der Erde und der uralten Götter erstellt. Zu diesem Zweck wurden 215 Texte und Textfragmente ausgewertet, die die Sonnengöttin der Erde, die Ereškigal, die Allāni oder die uralten Götter – im Kollektiv oder mit namentlicher Nennung – enthalten.
Die untersuchten Texte verteilen sich auf alle drei Zeitstufen, wobei das Gros der Texte in die junghethitische Zeit zu datieren ist. Die meisten Belege stammen aus dem großen Corpus der religiösen Texte, daneben finden sich die untersuchten Gottheiten aber auch in historischen Texten, Mythen und in sonstigen Texten.
Bei der Sonnengöttin der Erde handelt es sich um eine ursprünglich luwische Gottheit, die als ein Teil des kosmischen Sonnengottpaares die Nachtsonne repräsentierte. Dieser waren bereits in althethitischer Zeit Gottheiten zugeordnet, die als „uralt“ bezeichnet wurden und als Götterkollektiv mit der Unterwelt verbunden waren. Spätestens in der mittelhethitischen Zeit wurde der Sonnengöttin der Erde ein Götterkollektiv mit der Bezeichnung „uralte Götter“ zur Seite gestellt; vermutlich fanden diese ihren Weg in das hethitische Pantheon aus dem syrischen Raum durch kizzuwatnäisch-hurritische Vermittlung. Es konnte bei der Untersuchung der Texte gezeigt werden, dass die Sonnengöttin der Erde spätestens in junghethitischer Zeit mit der Ereškigal identifiziert wurde. Eine Gleichsetzung der Sonnengöttin der Erde/Ereškigal mit der hurritischen Allāni ist lediglich im Epos der Freilassung (CTH 789) als eine interpretatio hethitica zu verstehen, bei der es darum ging, ein ansprechendes Äquivalent für die bis dato eher unbekannte Göttin Allāni zu finden.
Die Stellung der Sonnengöttin der Erde und der uralten Götter im Staatspantheon war nicht sehr prominent. In den hethitischen Festtexten erscheinen sie lediglich am Rande, eigene Feste sind nur aus Kultinventaren bekannt. Für das Königtum und den König scheinen sie jedoch nach den Ritualtexten eine wichtige Rolle im Bezug auf die Schicksalsentscheidung und den Fruchtbarkeitserhalt zu spielen. Sie sind Bestandteil lokaler Panthea gewesen, wobei sich nur wenige davon lokalisieren lassen. Die Schwurgötterlisten der Verträge weisen dagegen darauf hin, dass sowohl die Sonnengöttin der Erde als auch die uralten Götter in einem weiteren geographischen Raum bekannt waren
Charakterisiert werden die Sonnengöttin der Erde und die uralten Götter in den untersuchten hethitischen Texten als hilfreiche Gottheiten, die bei Bedarf vom Menschen herbeigerufen werden können, um positiv einzugreifen. Ihr herausragendes Merkmal ist, dass sie zu den Gottheiten gehören, die mit pathogenen Substanzen in Berührung kommen können, ohne selbst negative Eigenschaften zu übernehmen. Sie haben also die Fähigkeit, diese Unreinheiten so zu versorgen, dass sie auf der diesseitigen Welt keine Schäden mehr anrichten können, bleiben gleichzeitig aber selbst davon unberührt.
Alles in allem zeichnen die hethitischen Texte von der luwischen Sonnengöttin der Erde und den syrischen uralten Göttern ein durchgehend positives Bild. Sie erscheinen als sowohl für die Gemeinschaft als auch für den Einzelnen wichtige Gottheiten, die es, wie andere auch, zu verehren und gelegentlich zu besänftigen gilt, die aber dennoch dem Menschen ausschließlich hilfreich zur Seite stehen. Obwohl sie als Unterweltsgottheiten gelten, unterscheiden sie sich in Funktion und Aufgabenbereich sowie in ihrer Charakterisierung nur sehr marginal von anderen hethitischen Gottheiten, die nicht in der Unterwelt verortet sind. So scheint ihre Beschreibung als Unterweltsgötter hauptsächlich der Lokalisation im Kosmos der Götterwelt zu dienen. Die nähere Qualifikation des syrischen Götterkollektivs als „uralte Götter“ bezog sich dagegen auf ihr tatsächliches Alter als eine frühere Göttergeneration.