Der Orkan Kyrill auf Flickr - Fotoposting zwischen Ästhetisierung und Dokumentation

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Als der Orkan Kyrill am 18. Januar 2007 über Europa zog, waren die Menschen durch eine breite mediale und aktuelle Berichterstattung auf das Naturereignis vorbereitet, die von Usern der Photosharingplattform Flickr durch eigene Bilder ergänzt wurde. Flickr ist Teil der wachsenden Präsenz der Neuen Medien im Alltag und bietet als Phänomen alltagskultureller Kommunikation neue Vernetzungsmöglichkeiten, die eine spezifische kommunikative Praxis und eine Medienkultur der Selbstpraktiken aufweisen, in der Leistungsvergleiche, Selbstinszenierung und das Ringen um Aufmerksamkeit verankert sind. Die Fotografien des Orkans Kyrill auf Flickr bilden die Grundlage meiner Arbeit, in der verschiedene Forschungsgebiete verschränkt werden. So führt das Ereignis in die Katastrophenforschung, die Wahl der Quelle in die Fotografie- und Medienforschung und die beiden Pole Ästhetisierung und Dokumentation im Titel meiner Arbeit verweisen auf Pierre Bourdieus Studien zu den sozialen Gebrauchsweisen der Fotografie, die von mir auf das digitale Zeitalter übertragen werden. Als Methode wird die seriell-ikonografische Fotoanalyse nach Pilarczyk/Mietzner gewählt, die im weitesten Sinne phänomenologisch und hermeneutisch ist und die Bildinterpretation einzelner Fotografien mit der seriellen Analyse verknüpft. Die herausgearbeiteten Motivkategorien werden anhand der Vier Elemente geordnet, da Naturkatastrophen diesen häufig zugeschrieben werden und in ihnen die Ambivalenz der Natur deutlich wird. Unter Zuhilfenahme der Kontextinformationen auf der Userseite werden die sozialen Gebrauchsweisen der Fotografien herausgearbeitet, die dokumentarisch, ästhetisierend oder kommunikativ und teilweise durch eine Faszination des Destruktiven geprägt sind. Dass Fotografien uneindeutig sind, hat für phänomenologische Untersuchungen Vorteile, da neben der Inszenierung auch Zufälliges aufgenommen wird und so Spuren des kulturellen, sozialen und subjektiven Lebens unmittelbar enthalten sind. Die Wahl des Bildausschnittes und der Fotografien für die Plattform Flickr kann somit ein Nachweis für Mentalitäten und unbewusste Haltungen und damit fruchtbar für die Psychoanalyse sein. In Bildbeschreibungen, Verschlagwortung und Kommentaren geben die User der Plattform zudem mehr von sich preis als durch ein Foto alleine möglich wäre. Es zeigen sich in ihrer Präsentation der eigenen Lebenswelt und der Wahrnehmung des Orkans als Naturkatastrophe zum Teil philobatische und oknophile Züge. Beide Begriffe stammen aus Michael Balints Studie zur Angstlust und haben das Aufgeben und Wiedererlangen der Sicherheit zum Thema wie es auch in den Fotomotiven zu finden ist. In ihnen kommt die Aufarbeitung und Systematisierung der Unordnung während und nach dem Orkan Kyrill zum Tragen. Das Erlebte wird in den Fotografien (be-)greifbar gemacht, um es in die eigene Lebenswelt einzuordnen und diese wieder zu sortieren, nachdem sie kurzzeitig aus den Fugen geraten war.

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