Optimierung der Inhalation von Aerosolen - Untersuchungen zum aerodynamischen Verhalten von Aerosolen erzeugt mit handelsüblichen Druckluftverneblern zur Aerosolcharakteristik vernebelter wässriger Tranexamsäure Lösung 100 mg/ml und zu videobasierter Inhalationsschulung
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Die Kernelemente zur Optimierung der Inhalation von Aerosolen sind gerätebezogene, arzneimittelbezogene sowie anwendungsbezogene Faktoren. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde für jedes Kernelement der Inhalation ein Optimierungsansatz wissenschaftlich untersucht und evidenzbasierte Handlungsempfehlungen für die klinische Praxis abgeleitet.
Zur gerätebezogenen Optimierung wurden die handelsüblichen Druckluftvernebler mit einem standardisierten Testverfahren vergleichend geprüft. Die Ergebnisse sollen dem Arzt eine evidenzbasierte Auswahl eines passenden Druckluftverneblers für den individuellen Patienten ermöglichen. Zur arzneimittelbezogenen Optimierung wurden in einer Proof-of-Concept Studie die Aerosolcharakteristika von vernebelter Tranexamsäurelösung zur Behandlung von Hämoptysen analysiert. Zur anwendungsbezogenen Optimierung wurden in einer Patientenstudie typische Anwendungsfehler bei der Nutzung von Inhalationssystemen und die Akzeptanz videobasierter Schulungsformate geprüft.
Jede Inhalationstherapie beginnt mit der Auswahl des geeigneten Verneblungssystems zur Applikation der vorgesehen Arzneistofflösung. Druckluftvernebler nehmen eine zentrale Rolle in der therapeutischen Versorgung verschiedenster respiratorischer Krankheitsbilder ein. Die große Bandbreite an Gerätetypen ermöglicht eine gezielte Anpassung an spezifische Indikationen und individuelle Patientenbedürfnisse. Die Vergleichbarkeit der Geräte ist jedoch häufig limitiert, da die Gerätehersteller die Methodik zur Ermittlung der Kenngrößen und die Leistungsdaten nicht immer transparent darlegen. Es ist zudem bekannt, dass die Leistungsparameter der einzelnen Vernebler stark variieren. Ein valider Vergleich der Verneblereigenschaften bedarf direkt vergleichender Untersuchungen mit standardisierten Messmethoden.
Zur objektiven Bewertung und evidenzbasierten Auswahl geeigneter Vernebler wurden 13 moderne, in Deutschland verfügbare Druckluftvernebler unter Anwendung der Euronorm EN 13 544-1:2007 + A1 (Aug. 2009) untersucht. Als Modellsubtanz zum Vernebeln kam Natriumfluorid zum Einsatz. Im Testmodell wurde mit einem Atemzugssimulator der Aerosol Output (AO) und die Aerosol Output Rate (AOR) bestimmt. Mittels Kaskadenimpaktion wurde in weiteren Simulationsversuchen die relevanten aerodynamischen Parameter gemessen bzw. berechnet. Dazu zählten der Mass Median Aerodynamic Diameter (MMAD), die Fine Particle Fraction (FPF < 5 µm und < 3 µm), die Total Respirable Delivered Dose (RDD < 5 µm) sowie die Respirable Drug Delivery Rate (RDDR < 5 µm). Die Ergebnisse zeigten große Unter-schiede in der Performance der getesteten Vernebler. Die niedrigsten und höchsten Werte der AO (1,9 – 6,6 mg NaF) und AOR (0,5 – 1,7 mg NaF/min) unterschieden sich um das 3,5- bzw. 4-fache. Deutliche Unterschiede ergaben sich auch für die aerodynamischen Aerosol-parameter. Sie variierten beim MMAD um das 3-fache (2,1 – 6,8 µm), beim RDD < 5 µm um das 8,5-fache (0,61 – 5,28 mg NaF) und dem RDDR < 5 µm um das 4,5-fache (0,37 – 1,1 mg NaF/min). Die erhebliche Variabilität der Leistungsdaten unterstreicht die Notwendigkeit der gezielten Auswahl eines geeigneten Verneblers. Die Wahl des Verneblers sollte sich am therapeutischen Ziel orientieren. Bei der Behandlung von Erkrankungen der oberen Atemwege empfiehlt sich ein Vernebler der Aerosole mit höherem MMAD und einer geringen FPF < 5 µm erzeugt. Für die gezielte Deposition in den unteren Atemwegen oder bei pädiatrischen Patienten sind Vernebler zu bevorzugen, die Aerosole mit niedrigerem MMAD und einer großen FPF < 5 µm bzw. < 3 µm erzeugen. Weiterführende Untersuchungen bestätigten die erheblichen Unterschiede in der Geräteleistung, insbesondere hinsichtlich der abgegebenen Aerosolmenge und der Verneblungszeit. Es zeigte sich, dass eine langsamere Aerosolabgabe mit einem kleineren MMAD korrelierte. Für eine effektive Deposition in den unteren Bereichen der Lunge, ist ein Verneblungsgerät zu bevorzugen, dass ein Aerosol mit kleinem MMAD und mit großer FPF< 5 µm bzw. < 3 µm erzeugt. Zusätzlich sollte die Aerosolabgabe möglichst über einen längeren Zeitraum erfolgen, um die alveoläre Deposition zu optimieren.
Neben den gerätespezifischen Verneblungseigenschaften ist auch die Art des Arzneistoffs und die Formulierung der Inhalationslösung von Bedeutung für die Aerosolqualität und damit der Lungendeposition und therapeutischen Wirksamkeit. Einige Wirkstoffe werden in der klinischen Praxis vernebelt, ohne dass eine Zulassung für die inhalative Anwendung vorliegt oder Aerosolcharakteristika und biopharmazeutische Eigenschaften der erzeugten Aerosole untersucht sind. Ein klinisch relevantes Beispiel dafür ist Tranexamsäure (TXA), ein Antifibrinolytikum, das zur Behandlung verschiedenster Blutungssituationen parenteral oder lokal eingesetzt wird. In jüngster Zeit findet TXA zunehmend auch off-label Anwendung zur inhalativen Behandlung von Hämoptysen. Dabei werden in der Regel intravenöse TXA-Formulierungen mittels handelsüblicher Vernebler aerosoliert.
Im Rahmen einer Proof-of-Concept Studie sollten erstmals die aerodynamischen Eigen-schaften von aerosolierter Tranexamsäure Lösung 100 mg/mL bestimmt werden. Die experimentellen Bedingungen entsprechen den praxisüblichen Bedingungen zur Inhalationstherapie von Hämoptysen an der Universitätsmedizin Mainz. Es wurde eine sterile, wässrige TXA 100 mg/mL Injektionslösung für zwei Minuten mithilfe eines multi-dose Membranverneblers (Aerogen® Solo) mit zwei verschiedenen Flussraten (15 und 30 L/min) vernebelt. Das erzeugte Aerosol wurde mit einem NGI gesammelt und für jede Flussrate der MMAD, die FPD < 5 µm, die FPF < 5 µm sowie die GSD quantifiziert. Die Verneblung bei 15 L/min ergab einen MMAD von 6,68 ± 0,23 µm und eine GSD von 2,02 ± 0,16. Die FPD < 5 µm lag bei 16,56 ± 0,45 mg; die FPF < 5 µm bei 28,91 ± 3,40 %. Die Verneblung bei 30 L/min ergab einen MMAD von 5,18 ± 0,12 µm mit einer GSD von 2,14 ± 0,10. Die FPD < 5 µm lag bei 16,30 ± 1,38 mg und die FPF < 5 µm bei 35,43 ± 0,59 %. Demnach wurde mit der Verneblung einer TXA-Lösung 100 mg/mL mit einem Membranvernebler ein Aerosol mit geeigneten Partikeleigenschaften zur Deposition in den mittleren und oberen Bereichen der unteren Atemwege erzeugt. Das gefundene Aerosolspektrum ist zur Behandlung von Hämoptysen mit primärer bronchialer Genese geeignet und korreliert mit der in der Literatur beschriebenen klinischen Wirkung von vernebelter TXA-Lösung. Weitere Untersuchungen sind erforderlich, um die optimale Wirkstoff-Dosis und -Konzentration sowie den Einfluss unterschiedlicher Verneblertechnologien auf die Aerosolqualität systematisch zu evaluieren.
Selbst mit dem leistungsfähigsten Inhalator und optimaler Wirkstoffformulierung bleibt die therapeutische Wirkung limitiert, sofern die Inhalation nicht korrekt erfolgt. Inhalationsarzneimittel gehören zu den erklärungsbedürftigen Arzneiformen und erfordern eine adäquate Schulung, um maximale Effektivität zu erreichen.
Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, typische Anwendungsfehler zu identifizieren, die Akzeptanz von Videoschulungen zu evaluieren und die Frage zu beantworten, ob Schulungsvideos die Qualität der Inhalationsschulung gewährleisten und verbessern können. Im ersten Schritt wurden die teilnehmenden Patienten (37 Patienten) gebeten, mit einem Placebo-Inhalationsgerät den üblichen Gebrauch zu demonstrieren. Auftretende Fehler wurden systematisch mittels einer Checkliste erfasst. Anschließend wurde ein auf das jeweilige Inhalationssystem abgestimmtes Schulungsvideo gezeigt, gefolgt von der Möglichkeit zur Klärung individueller Fragen. Abschließend bewerteten die Teilnehmer den subjektiven Nutzen der Videoschulung. Die Fehlerauswertung verdeutlichte die hohe Fehleranfälligkeit des Inhalationsvorgangs. Nur eine von insgesamt 32 Personen konnte die Handhabung des Respimat® ohne Fehler demonstrieren. Bei allen anderen Patienten traten mindestens ein- oder mehrere Anwendungsfehler auf. Die videobasierten Schulungen wurden von den Patienten allgemein positiv eingeschätzt. Die Videos wurden als leicht verständlich eingestuft und ein Großteil der Patienten würden sich die Handhabung der Tablet-PCs selbständig und alleine zutrauen. Zudem wurde der subjektive Lernzuwachs von vielen Patienten bestätigt, was auf einen wahrnehmbaren Nutzen der digitalen Schulung hinweist. Die Ergebnisse sprechen für den Einsatz standardisierter, digitaler Schulungsmethoden im Rahmen inhalationstherapeutischer Schulungsmaßnahmen, sowohl zur Optimierung der Schulungsqualität als auch zur Entlastung des medizinischen Personals.
Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass eine Optimierung der Inhalationstherapie nur im Zusammenspiel von geeignetem technischem Equipment, einer geeigneten Arzneistofflösung sowie der korrekten Anwendung gelingen kann. Während die experimentellen Untersuchungen zu den Druckluftverneblern und den Verneblungseigenschaften der Tranexamsäure die technischen und die pharmakologischen Optimierungspotentiale im Fokus hatten, zeigte die Studie zu den typischen Anwendungsfehlern und der Akzeptanz von Schulungsvideos den hohen Stellenwert patientenorientierter Schulungsmaßnahmen. Alle Untersuchungsergebnisse können unmittelbar zur Optimierung der Inhalationstherapie in der klinischen Praxis genutzt werden und zur Verbesserung von deren Wirksamkeit und Sicherheit beitragen.