Molekulare Mechanismen der Gehirnfunktion bei mTOR-defizienten genetischen Syndromen mit kognitiven Störungen
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Tuberöse Sklerose (TS) ist eine autosomal-dominante Erbkrankheit, die durch Mutationen in dem TSC1- oder TSC2-Gen verursacht wird. Mutationen in diesen Genen führen zu einer erhöhten Aktivität des mechanistic target of rapamycin (mTOR)-Signalwegs und in Folge zu einer Hochregulierung der downstream-Signalkaskade. Der mTOR-Signalweg ist ein wichtiger Regulator der lokalen Proteintranslation im postsynaptischen Kompartiment des Gehirns und steuert die Synthese von Proteinen, die an der synaptischen Plastizität beteiligt sind. Weiterhin wird die mTOR-Signalkaskade in Zusammenhang mit Stressverarbeitung und mentaler Resilienz diskutiert. Intelligenzminderung, Autismus, Epilepsie und gutartige Tumore in verschiedenen Organsystemen sind charakteristische Merkmale der TS. Über die molekularen Mechanismen, die dem mentalen Erscheinungsbild zugrunde liegen, ist noch wenig bekannt.
Um zunächst die Entwicklung neurologischer Symptome von TS zu untersuchen, wurde in der vorliegenden Doktorarbeit das konstitutive, heterozygote Tsc2 knockout Mausmodell verwendet, welches die Heterozygotie der TSC2-Mutationen von TS-Patienten simuliert. Der Hypothese zufolge, dass die Entwicklung der neurologischen Symptome ein gradueller, progressiver Prozess ist, wurden die Tsc2+/--Mäuse in unterschiedlichen Altersgruppen untersucht und in Verhaltensbatterien analysiert, die zum einen Fähigkeiten des Sozialverhaltens und zum anderen kognitive Leistungen messen. Darüber hinaus durchliefen die Tsc2+/--Mäuse verschiedene Verhaltenstests, nachdem sie chronisch-sozialem Stress (CSS) ausgesetzt wurden.
Die in dieser Dissertation erlangten Daten zeigen, dass Tsc2+/--Mäuse (i) autistische Verhaltensmuster und kognitive Defizite schrittweise entwickeln und, dass (ii) den kognitiven Defiziten eine defizitäre Gedächtniskonsolidierung zugrunde liegt. Weiterhin wurde gezeigt, dass (iii) CSS den Tsc2+/--Phänotypen beeinflusst.
Vorangegangene Versuche, die über elektrophysiologische und proteinanalytische Methoden erlangt wurden, geben einen deutlichen Hinweis darauf, dass der sich schrittweise entwickelnde TS-Phänotyp aus ersten neuronalen Veränderungen während der sehr frühen Gehirnentwicklung resultieren könnte, die sich über die Zeit summieren und sich zunehmend pathologisch auf neuronale Netzwerke auswirken.
Um die biochemischen Mechanismen der betroffenen Gehirnregionen von älteren Tsc2+/--Mäuse zu untersuchen, wurden im Rahmen dieser Doktorarbeit Proteinanalysen der mTOR-Signalkaskade und Expressionsstudien von aktivitätsabhängigen immediate early genes (IEGs) durchgeführt. Die Resultate zeigen sowohl eine (i) Kompensation als auch eine (ii) Akkumulation von Proteinen des mTOR-Signalwegs sowie eine (iii) reduzierte Expression von IEGs in Gehirnregionen, die in die Gedächtniskonsolidierung involviert sind, und schaffen somit eine Grundlage, um die späte Entwicklung der autistischen Verhaltensmuster und auch die sehr spät eintretende defizitäre Gedächtniskonsolidierung der Tsc2+/--Mauslinie zu erklären.
Die erlangten Ergebnisse stellen die bislang veröffentlichten Daten zum Teil in Frage und eröffnen neue Perspektiven für translationale Forschungsansätze. In weiterführenden Studien werden die Tsc2+/--Mäuse in einem sehr frühen Entwicklungsstadium mit dem Wirkstoff Vigabatrin behandelt, der die Aktivität der mTOR-Signalkaskade hemmt. Die behandelten Versuchsmäuse und deren Kontrolltiere sollen erneut in unterschiedlichen Altersgruppen in ihrem Verhalten getestet werden. Weiterhin sollen die Auswirkungen von early life stress auf das Tsc2+/--Mausmodell untersucht und die molekularen Mechanismen der Auswirkungen von CSS auf ältere Tsc2+/--Mäuse analysiert werden. Darüber hinaus sind nicht nur projektionsanalytische Verfahren mit älteren Tsc2+/--Mäuse geplant, sondern es sollen auch spezifische Verhaltenstests und funktionelle Magnetresonanztomographien bei Kindern mit TS durchgeführt werden, um die Defizite in der Gedächtniskonsolidierung näher zu charakterisieren und die hippocampalen-cortikalen Projektionen zu analysieren.