Messung des Realteils der gebundenen 3 He-Streulänge
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Streulängen beschreiben die s-Wellen-Streuung niederenergetischer Neutronen an Kernen.
Solche Streuprozesse laufen nahezu ausschließlich über die starke Wechselwirkung ab.
Wegen der Spinabhängigkeit der starken Wechselwirkung werden den
Multiplett-Streulängen, d.h. den Streulängen der Gesamtspinzustände J, im Allgemeinen
verschiedene Werte zugeordnet. Im Experiment sind die Multiplett-Streuzustände an
makroskopischen Proben in der Regel nicht unmittelbar zugänglich. Messbar sind jedoch
der polarisationsabhängige und -unabhängige Anteil der Streulänge, welche als
inkohärente Streulänge und kohärente Streulänge bezeichnet werden und
Linearkombinationen der Multiplettstreulängen sind. Durch komplexe Streulängen lässt
sich der für reine
Streuprozesse entwickelte Formalismus erweitern: Der Imaginärteil
der Streulänge beschreibt dann die Absorption von Projektilen im Target. Sämtliche
Reaktionsquerschnitte lassen sich als Funktionen der Streulänge angeben.
Verbesserte Messungen der 3He-Streulängen sind für die Entwicklung theoretischer
Modelle von Wenig-Nukleonen-Systemen wichtig. Für die Systeme (n,D) und (n,T) wurden in
den letzten Jahren u.a. präzise theoretische Vorhersagen für die Multiplett-Streulängen
gemacht. Die Übereinstimmung mit den experimentellen Ergebnissen untermauert, dass die
theoretischen Unsicherheiten dieser Werte nur etwa 1 Promille betragen. Demgegenüber
ist die theoretische Behandlung des n-3He-Systems aufwändiger. Bis zu Beginn der 1980er
Jahre wurde eine Reihe von Vorhersagen für die Multiplett-Streulängen gemacht, die auf
erfolgreichen Dreinukleon-Potentialmodellen basierten, untereinander aber vollkommen
inkompatibel waren. Daneben waren zwei disjunkte Wertepaare für
die
Multiplett-Streulängen mit den experimentellen Ergebnissen verträglich. Obwohl es
begründete Argumente zugunsten eines der Wertepaare gab, bestand die Hoffnung auf eine
experimentelle Verifikation durch direkte Messung der inkohärenten Streulänge bereits
1980. Die Bestimmung des Realteils der inkohärenten Streulänge liefert in der
Multiplettstreulängenebene eine Gerade, die fast orthogonal zum Band des Realteils der
kohärenten Streulänge verläuft. Vermutlich aufgrund der unzureichenden Kenntnis der
Realteile hat in den letzten Jahren keine nennenswerte Weiterentwicklung der Modelle
für das System n–3He stattgefunden. Diese Arbeit entstand in der Absicht, durch
polarisierte und unpolarisierte Experimente an 3He quantitative Fakten zur Beurteilung
konkurrierender Vier-Nukleonen-Modelle zu schaffen und somit der theoretischen Arbeit
auf diesem Feld einen neuen Impuls zu geben. Eine jüngst veröffentlichte theoretische
Arbeit [H. M. Hofmann und G. M. Hale. Phys.
Rev. C, 68(021002(R)): 1–4, Apr. 2003] zur
spinabhängigen Streulänge des 3He belegt, dass die im Rahmen dieser Arbeit
unternommenen Anstrengungen auf reges Interesse stoßen. Durch die Anwendung zweier sehr
unterschiedlicher experimenteller Konzepte wurden Präzisionsmessungen der Realteile der
kohärenten und inkohärenten Neutronenstreulänge des 3He durchgeführt. Während sich die
Methode der Neutroneninterferometrie seit Ende der 1970er Jahre als Standardverfahren
zur Messung von spinunabhängigen Streulängen etabliert hat, handelt es sich bei der
Messung des pseudomagnetischen Präzessionswinkels am Spinecho-Spektrometer um ein neues
experimentelles Verfahren. Wir erhalten aus den Experimenten für die gebundenen
kohärenten und inkohärenten Streulängen neue Werte, welche die Unsicherheiten im Falle
der kohärenten Streulänge um eine Größenordnung, im Falle der inkohärenten Streulänge
sogar um den Faktor 30 reduzieren. Die Kombination dieser Resultate liefert verbesserte
Werte der, für die nukleare Wenigkörper-Theorie wichtigen, Singulett- und
Triplett-Streulängen. Wir erhalten neue Werte für die kohärenten und inkohärenten
Anteile des gebundenen Streuquerschnitts, das für die Neutronenstreuung an der
3He-Quantenflüssigkeit wichtige Verhältnis von inkohärentem und kohärentem
Streuquerschnitt und für den freien totalen Streuquerschnitt.