Verlauf der Isoagglutinintiter bei Blutspendern : eine longitudinale, retrospektive Untersuchung über einen Zeitraum von vier Jahren
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Die Isoagglutinine wurden vor über hundert Jahren als integraler Bestandteil des AB0 Blutgruppensystems entdeckt und stellen bis heute eine wichtige Säule in der Transfusionsmedizin dar. Ihre Bedeutung hat sich im Laufe der Zeit auf weitere medizinische Disziplinen ausgeweitet, wie zum Beispiel auf AB0-Inkompatibilitäten in der Geburtsmedizin oder bei der Transplantation von Knochenmark und hämatopoetischen Stammzellen in der Hämatologie oder soliden Organen in der Transplantationsmedizin. Obwohl die Isoagglutinine bereits intensiv erforscht wurden, erfolgten bisherige Untersuchungen fast ausschließlich in Querschnittsstudien, ohne dass bisher vollständig geklärt werden konnte, ob und wie sich die Titer der Isoagglutinine im Laufe der Zeit verändern.
Das Hauptziel dieser Dissertation bestand darin, die Veränderungen der Isoagglutinin-Titer bei Blutspendern über einen Zeitraum von vier Jahren zu analysieren. Dabei sollten die Titer nach Blutgruppe, Isoagglutinin-Spezifität, Isotyp und Art der Blutspende unterschieden und es sollte deren Korrelation mit Alter und Geschlecht analysiert werden. Weiterhin sollten sowohl Spender mit starken Titerschwankungen als auch die Prävalenz von Spendern mit hohem Titer, bezogen auf verschiedene kritische Titer Grenzwerte, identifiziert und bewertet werden. Letztlich sollte noch die Prävalenz von Spendern mit fehlenden IgG-Isoagglutininen analysiert werden. Zu diesem Zweck wurden in einer retrospektiven Längsschnittstudie Probenpaare von 1028 Vollblut- und Apherese-Thrombozyten-Spendern mit einer automatisierten Titrationsmethode analysiert, die sich durch minimale Ergebnisschwankungen auszeichnet und die in der Lage ist, zwischen den beiden klinisch relevanten Immunglobulin Isotypen IgG und IgM zu unterscheiden. Die vorliegende Untersuchung zeigte, dass die Veränderungen der Isoagglutinintiter, mit Ausnahme von Anti-A1 IgM, über alle Blutgruppen und Studiengruppen statistisch signifikant waren. Die Titerveränderungen korrelierten weder mit dem Alter noch mit dem Geschlecht. Bei 4,6% der Blutspender wurden zudem starke Titerveränderungen von drei oder mehr Titerstufen festgestellt, wobei es sich bei der Mehrzahl (3,6%) um IgG Isoagglutinine handelte. Die Prävalenz hoher Titerstufen lag mit einem Titergrenzwert von 128 bei knapp über 20% und mit einem Titergrenzwert von 256 bei 10%. Die Prävalenz von Spendern ohne IgG Isoagglutinine betrug 20% der Studienpopulation.
Die Veränderungen der Isoagglutinintiter sind für die Definition eines Titergrenzwerts relevant, ab dem AB0-minorinkompatible Vollblutkonserven oder Thrombozytenkonzentrate ohne das Risiko einer hämolytischen Transfusionsreaktion transfundiert werden können. Die Häufigkeit, mit der Isoagglutinintiter bei Spendern mit niedrigem Titer überprüft werden sollten, hängt von der Wahrscheinlichkeit einer Titerveränderung ab. Die Festlegung eines kritischen Titer Grenzwerts ist aufgrund der bekannten Titerschwankungen bereits schwierig und wird durch die meistens verwendetet manuelle Titrationsmethode weiter erschwert. Daher ist es schwierig, die Titrationsergebnisse verschiedener Studien zu vergleichen und sie mit klinischen Daten zu korrelieren. Transfusionsmedizinische Zentren verfügen normalerweise über eigene Protokolle für AB0-minorinkomaptible Transfusionen, allerdings sind nur in wenigen Ländern national anerkannte Titergrenzwerte definiert. Außer in der Transfusionsmedizin sind verlässliche Informationen über Veränderungen der Isoagglutinintiter auch bei AB0-inkompatiblen Nierentransplantationen erforderlich. Auch hier liegen weder zu den kritischen Titern noch zur Vorhersage welcher Isoagglutinin Isotyp auf das Ergebnis einer Organtransplantation mehr Einfluss hat, international anerkannten Protokolle vor. Dies könnte zumindest teilweise auf die methodenbedingten Schwankungen zurückzuführen sein.
Das Design dieser Arbeit wurde so gewählt, dass methoden- und saisonabhängige Schwankungen minimiert werden. Um den Einfluss zufälliger Schwankungen auf die vorliegende Analyse auszuschließen, wurden starke Titerveränderungen als Unterschiede von mindestens drei Titerstufen definiert. Informationen über intrapersonale Veränderungen der Isoagglutinintiter über die Zeit, insbesondere wenn diese mit automatisierten Methoden gemessen wurden, liegen bisher kaum vor. Die vorliegende Arbeit untersucht die bislang meisten Probanden über den längsten bisher publizierten Zeitraum. Durch die Vielzahl der ausgewerteten Proben war es auch möglich, Probanden mit starken Titerveränderungen über die Zeit zu identifizieren und die Prävalenz von Spendern mit hohem Titer in Relation zu verschiedenen Titergrenzwerten zu untersuchen. Zum Vergleich mit der vorliegenden Untersuchung konnte nur einer kleinen dänischen Längsschnittstudie, die dieselbe Testmethode verwendet hat, herangezogen werden. In dieser dänischen Studie wurden, bis auf einen Probanden mit großer Titerschwankung (drei Titerstufen), nur minimale Titerschwankungen unter den 56 Probanden gefunden. Übereinstimmend mit der dänischen Studie wurde kein Zusammenhang der Titerveränderungen mit dem Alter oder dem Geschlecht gefunden. Darüber hinaus ergab die vorliegende Untersuchung, dass nur 20% der Blutspender gar keine IgG-Isoagglutinine aufwiesen, was unabhängig vom Geschlecht oder der Spendenart war. Dieses Ergebnis lässt sich nicht ausschließlich durch Schwangerschaften oder Transfusionen als Antikörper stimulierende Faktoren erklären, sondern legt die Beteiligung weiterer stimulierender Faktoren für die Produktion von IgG Isoagglutininen nahe. Möglicherweise sind andere Faktoren, wie Ernährung, Probiotika und Umweltfaktoren, für Veränderungen der Isoagglutinin-Titer verantwortlich. Die vorliegenden Ergebnisse stellen eine verlässliche Datenquelle zu Isoagglutinintitern und zu Titerveränderungen dar, die bei der Erstellung von Vorgaben zur AB0-minorinkompatiblen Transfusion oder Organtransplantation herangezogen werden können. Darüber hinaus bieten die Ergebnisse eine zuverlässige Grundlage für Isoagglutinintiter-Vergleiche in zukünftigen Studien, insbesondere wenn die Dynamik von Titerschwankungen oder die Ursachen Wirkungs-Beziehungen verschiedener Stimuli untersucht werden sollen.