Untersuchung von Parametern für das krankheitsspezifische Risiko nach adjuvanter Radiojodtherapie bei Schilddrüsenkarzinom
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Ziel dieser Arbeit ist Risikofaktoren für das Gesamtüberleben bei differenziertem Schilddrüsenkarzinom sowie das Auftreten von
Zweitmalignomen nach adjuvanter Radiojodtherapie bei DTC zu untersuchen.
Hierzu wurde der Fokus auf das krankheitsspezifische Risiko (Tod) und die Auffälligkeiten (suspekte Bildgebungsbefunde,
Tumormarkeranstiege, Rezidive) im Therapieverlauf gerichtet. Hierdurch sollten zukünftige Effekte von Änderungen in Therapie- und
Behandlungsentscheidungen, wie zum Beispiel Reduktion oder Unterlassen der Radiojodtherapie, exakter bewerten zu können.
Diese Arbeit ist eine monozentrische, retrospektive Untersuchung von 889 Patienten, die zwischen 2005 und 2017 mit der Diagnose C73 und
einer adjuvanten RJT in der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin der Universitätsmedizin Mainz behandelt wurden. Im Beobachtungzeitraum
(2005-2017) wurden 150 histopathologische und klinische Parameter als Merkmalskriterien pro Patient anhand von Arztbriefen erfasst. Aus den
Einträgen der landesweiten -Krebs- und Mortalitätsregister, die in der Nachbeobachtungsphase von 2018-2020 erhoben worden sind,
resultierten weitere Informationen über das individuelle Krankheitsgeschehen dieses Patientenkollektivs. Die Nachbeobachtung endete am
31.12.2020.
Im Datensatz wurden 15 Parameter selektiert und dienten der weiteren Auswertung:
1. Alter bei Erstdiagnose < 45 Jahre
2. Geschlecht
3. Histologische Entität PTC
4. Histologische Entität FTC
5. Tumordurchmesser [mm]
6. Lymphknotenstatus (TNM)
7. Metastasenstatus (TNM) bei Thyreoidektomie
8. Gesamtanzahl der malignen zervikalen Lymphknotenmetastasen im Resektat
9. Multifokalität
10. BRAF-Mutation
11. Jodspeichernde Fernmetastasen
12. Angabe von Wohlbefinden oder Beschwerden am letzten Termin der Beobachtung
13. Kumulierte Gesamtaktivität [GBq]
14. FDG-PET/CT positive Läsionen
15. Tumormarkeranstieg im 3-5 Monate nach 1. RJT hTg <0,2 [ng/ml]
Diese Auswahl entspricht (1.) dem aktuellen Forschungsbedarf bei DTC, insbesondere der Risikostratifizierung der ATA Leitlinie von 2015, (2.)
der Auftretenshäufigkeit im Datensatz und (3.) dem Fokus von Parametern des nuklearmedizinischen Nachsorge. Im Rahmen der Auswertung
wurde dieses Parameterkollektiv aus methodischen Gründen in der statistischen Analyse in Erstdiagnose- und Verlaufsparameter unterteilt (s.
S.12 statistische Methoden).
Der Untersuchung des krankheitsspezifischen Risikos in Bezug auf das Gesamtüberleben anhand der Mortalitätsregisterrückmeldung dienten
die Erstdiagnoseparameter (s.o. Parameter 1.-10.). Es ergab sich, dass insgesamt 5,5% (49/889) bis zum Ende der Nachbeobachtung in einer
medianen Zeit von 59 (2-164) Monaten verstorben sind. Von denen erlagen 28,6% (14/49) bzw. von gesamt 1,6% (14/889) an C73 nach einer
medianen Zeit von 82 (9-164) Monaten.
In einer univariaten Cox-Regression waren die Merkmalsausprägungen der Erstdiagnoseparameter Prädiktoren und das Ereignis Tod an C73
Endpunkt zur Ermittlung der Überlebenschance. Im Cox‘schen Regressionmodell ergaben 3 der 10 Erstdiagnoseparameter ein signifikantes
Ergebnis bei einem Signifikanzniveau von α < 0,05. Hinsichtlich des Vorhersagewertes der Überlebenszeit waren TNM-M1 (HR=21,90), Alter
bei Erstdiagnose < 45 Jahre (HR=0.103) und weibliches Geschlecht (HR=0,192) signifikant. In der anschließenden multiplen Coxregression
ergab sich von den 3 Parametern nur TNM-M1 (p < 0,05; HR=10,21) als signifikant im Zusammenhang mit dem Endpunkt Tod an C73. Das
Vorliegen einer Fernmetastase bei Erstdiagnose erhöht das Risiko an C73 zu versterben. Um Auffälligkeiten im Therapieverlauf anhand der Krebsregisterrückmeldung und möglichen Therapiefolgen (Zweitmalignome) nachzugehen,
wurden die Verlaufsparameter (s. S. 42: Parameter 11.-15.) deskriptiv analysiert. Die Höhe der kumulierten Gesamtaktivität (>7,8 [GBq]) und
das Auftreten von Zweitmalignomen im Nachsorgeverlauf von DTC hatten hierbei einen besonderen Untersuchungsfokus.
Von den 99 Patienten mit Zweitmalignom hatten 64,6% (64/99) zuerst einen anderen Krebs und entwickelten später C73. 67,2% (43/64) waren
einer Aktivität unter 7,8 [GBq] ausgesetzt und 32,8% (21/64) hatten eine erhöhte kumulierte Gesamtaktivität in der Therapie ihres
Zweitmalignoms DTC und einen anderen Krebs als Primärmalignom. Zuerst C73 und im Verlauf ein weiteres Malignom entwickelten 35,4%
(35/99). Bei 45,7% (16/35) dieser 35 Fälle lag eine Gesamtaktivität von < 7,8 [GBq] vor. 54,3% (19/35) der Behandelten waren einer erhöhten
Aktivität (>7,8 [GBq]) ausgesetzt (siehe auch S. 38 Tabelle 24).
Das Überwiegen von Patienten, die eine erhöhte Gesamtaktivität erhalten hatten (19:16), und die insgesamt niedrige Fallzahl von Patienten im
Datensatz, bei denen nach C73 ein weiterer Krebs auftrat (35/889), liefert keine validen Anhaltspunkte dafür, dass eine erhöhte Gesamtaktivität
im Therapieverlauf häufiger zu Zweitmalignomen führt als eine niedrigere kumulierte Aktivität.
Auffällig ist hingegen, dass die Gruppe mit Zweitmalignom nach Diagnose C73 (35/825) bei Erstdiagnose DTC im Median 14 Jahre älter
gewesen ist (Median 61, Mittelwert 58 (29-78) Jahre) als das Gesamtkollektiv (Median und Mittelwert 47 (13-89) Jahre) von 825 bei
Diagnosestellung C73. Das höhere Erkrankungsalter in dieser Gruppe könnte ein erwartungsgemäßer Faktor für das vermehrte Auftreten von
Zweitmalignomen sein.
Interessant ist, dass vor C73 als Primärmalignom am häufigsten Hautmalignome in 11 Fällen (C44 n=7; C43 n=4) auftraten und nach C73 am
häufigsten in 9 Fällen Mammakarzinom (C50) als Zweitmalignom bestand.
Die Ergebnisse dieser retrospektiven Zusammenstellung, Systematisierung und Auswertung verdeutlichen, dass ein größerer Gesamtdatensatz
notwendig ist, um spezifischere Aussagen über das krankheitsspezifische Risiko und die Auffälligkeiten im Therapieverlauf bei DTC zu treffen.
Dies liegt vor allem daran, dass bei differenziertem Schilddrüsenkarzinom manche Ereignisse nur selten eintreten, weil diese onkologische
Entität eine sehr gute Prognose hat.
