Stationäre Palliativversorgung an der Universitätsmedizin Mainz – Vergleichende Untersuchung der Betreuungsintensität in den Jahren 2010 und 2020

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Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde der Fragestellung nachgegangen, inwiefern sich die Betreuungsintensität der stationären Patient:innen auf der Palliativstation an der Universitätsmedizin Mainz in den Jahren 2010 bis 2020 verändert hat und in welchen Merkmalen sich statistisch auffällige Unterschiede zwischen den einzelnen Jahren nachweisen lassen. Im Rahmen dieser retrospektiven Untersuchung wurden fallbezogene Merkmale wie Diagnose und Krankheitsausdehnung, Aufenthaltsdauer, Entlassziel, vorangegangene Therapielinien, der Funktionsstatus (ECOG und PPS) und weitere supportive Therapieformen erfasst. Außerdem wurden tagesbezogene Merkmale (Belegung, PPR, Verwirrtheit, Bedarfsmedikation, Pumpen-, Infusionstherapie, parenterale Ernährung und Bestrahlung) für die Analyse herangezogen. Hierzu wurden die Krankenakten aller Patient:innen analysiert, welche jeweils zwischen dem ersten Januar und dem 30. Juni im Jahr 2010 bzw. 2020 stationär auf der Palliativstation der Universitätsmedizin Mainz behandelt wurden. Insgesamt wurden 211 Fälle ausgewertet, 94 aus dem ersten Halbjahr 2010 und 117 aus dem ersten Halbjahr 2020. Anhand kürzerer Aufenthaltsdauern, der höheren Sterberate, dem schlechteren Funktionsstatus (ECOG, PPS) und der höheren PPR-Einschätzung der stationären Patient:innen für das Jahr 2020, kann angenommen werden, dass es sich um komplexere Patient:innen handelte als es im Jahr 2010 der Fall war. Auch die Analyse hinsichtlich zu- und ableitender Systeme und weiteren Merkmalen, die als „Besonderer Betreuungsaufwand“ zusammengefasst wurden, konnten eine auffällig höhere Betreuungsintensität für das Jahr 2020 aufzeigen (p < 0,001 im Mann-Whitney-Test). Zusätzlich lassen die genannten Ergebnisse ebenfalls eine anhaltend hohe Belastung von Mitarbeiter:innen auf der Palliativstation vermuten. Anhand der Ergebnisse für die Belegung der Palliativstation an der Universitätsmedizin Mainz ist eine kontinuierliche Auslastung der Station erkennbar. Sowohl die Mittelwerte (2010: 7,2; 2020: 7,4) als auch die Mediane mit einer Belegung von 8 Patient:innen für beide Jahre weisen darauf hin, dass die Bettenkapazität häufig vollständig ausgeschöpft wird. Es besteht zwischen den beiden Gruppen 2010 und 2020 hinsichtlich der Belegung mit <7 oder 7-9 Betten (2010: 140 Tage; 2020: 158 Tage) im Chi-Quadrat-Test nach Pearson ein statistisch auffälliger Unterschied (p = 0,019). Bei der genaueren Untersuchung des Jahres 2020 konnte eine minimale Abnahme der Belegungszahlen bei dem Vergleich des Zeitraums vor und während des ersten Lockdowns der Coronapandemie festgestellt werden (vor Lockdown: 7,6; während Lockdown: 7,3; p = 0,010). Hier zeigte auch der Median eine Abnahme der Belegungszahl von acht stationären Fällen vor dem Lockdown (22. März.2020) auf sieben stationären Fällen nach dem Beginn des Lockdowns. Im Jahr 2020 wurde nach der Pflegepersonalregelung (PPR) an 60% der eingeschätzten Falltage eine Grundpflege mit besonderem Aufwand durchgeführt (A3). Diese Einschätzung ergab sich im Jahr 2010 hingegen nur bei weniger als der Hälfte (48%) aller begleiteten Tage. Bezüglich spezieller Pflegemaßnahmen (bspw. Wundversorgungen) wurde im Jahr 2020 nahezu jeder achte Falltag (12%) mit der Höchststufe S3 eingeschätzt. Für 2010 wurden weniger als 5% der Falltage dieser Kategorie mit besonderem Aufwand zugeteilt. Der pflegerische Aufwand der Patient:innen konnte demnach ebenfalls eine statistisch auffällige Tendenz zu einem höheren Betreuungsaufwand für das Jahr 2020 aufzeigen (p < 0,001). Hinsichtlich der Symptomkontrolle deuten eine Anzahl von durchschnittlich 12 bis 13 Bedarfsmedikationen aller Patient:innen pro Tag und Maximalwerte von über 30 Bedarfsmedikationen täglich auf eine dauerhaft hohe Symptomlast seitens der stationären Patient:innen und somit auf eine intensive Betreuung des Palliativteams hin. Die tagesbezogene Analyse ergab außerdem insgesamt mehr Behandlungstage mit Pumpentherapie bzw. Bestrahlung für das Jahr 2020. Eine Infusionstherapie und parenterale Ernährungstherapie war in diesem Jahr jedoch weniger relevant als noch 2010. Diese Ergebnisse können ebenfalls mit einem „schlechteren Zustand“ der Patient:innen im Jahr 2020 zusammenhängen, da eine parenterale Ernährungstherapie bei Patient:innen mit einer Lebenserwartung von weniger als einem Monat eher nicht empfohlen wird.(13) Sowohl Pumpen- als auch Strahlentherapie können bei entsprechender Indikation jedoch bis zum Versterben die Symptomlast der Betroffenen positiv beeinflussen.(84, 152) Die erfassten Items können basierend auf der herangezogenen Studienlage als realistische Parameter zur Abbildung des Betreuungsaufwandes betrachtet werden. Die statistische Analyse dieser Arbeit konnte zeigen, dass sich in der stationären Versorgung von Palliativpatient:innen an der Universitätsmedizin Mainz im Jahr 2020 gegenüber 2010 mehr Fälle befanden, die einen hochaufwändigen Pflegezustand aufwiesen. Diese Ergebnisse stützen die Vermutung, dass sich die stationäre Palliativversorgung hin zu komplexeren Begleitungen entwickelt hat und lässt sich mit der dynamischen Entwicklung der Palliativversorgung in den letzten Jahren vereinbaren. Des Weiteren ließ sich in der vorliegenden Untersuchung das erhöhte Angebot im ambulanten Bereich über den Anstieg der Entlassungen mit spezieller ambulanter Palliativversorgung abbilden. Diese Entwicklung könnte ein Grund dafür sein, dass die Komplexität der Begleitung im spezialisierten stationären Setting zugenommen hat, da es nun Möglichkeiten gibt, mehr Betroffenen einerseits innerhalb des Krankenhauses über den klinikinternen Palliativdienst auf Normalstationen und andererseits ambulant durch die Palliativdienste der AAPV und SAPV eine palliative Begleitung anzubieten.

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