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Autoren: Fabry, Regina Elisabeth
Titel: Enculturated predictive processing : a philosophical framework for research on reading and its disorders
Online-Publikationsdatum: 2-Mär-2016
Erscheinungsdatum: 2016
Sprache des Dokuments: Englisch
Zusammenfassung/Abstract: In the past few years there have been numerous attempts to account for the phylogenetic and ontogenetic trajectories of neuronal processing, embodied action, and socio-culturally shaped cognitive practices. These attempts have led to ongoing debates about the details of the neuronal realization of cognitive functions, the degree of embodiment that is required for certain cognitive abilities, and the influence of the socio-cultural environment on certain classes of cognitive processing routines. This PhD thesis makes decisive contributions to these current debates in philosophy of cognitive science. The key idea is to deliver a new, integrative, and unifying framework for the conceptual and empirical investigation of cognitive processes that are characterized by the delicate interplay of neuronal, bodily, and socio-culturally shaped processes at multiple time scales. In particular, I argue on both conceptual and empirical grounds that the emerging predictive processing framework is complementary to cognitive integration and its approach to enculturation. The resulting integrative perspective – combined with in-depth considerations of cognitive niche construction models, neural reuse, and neural plasticity – provides the unique opportunity to investigate cognitive practices with new conceptual tools and empirically informed theoretical insights. I call this perspective enculturated predictive processing (EPP). The emerging EPP framework is applied to reading, which I take to be a paradigm case of enculturated cognition. It is an ontogenetically acquired cognitive skill that significantly transforms the cognitive capacities of an individual. Reading is realized by the close dynamic interaction of neuronal and bodily (e.g., ocular-motor) sub-processes and constrained by a set of cognitive norms guiding the successful manipulation of tokens of an orthographic system. The investigation of this paradigm case yields two related advantages. On the one hand, the EPP perspective allows for a well-informed interpretation of empirical research on specific components of reading. On the other hand, the scrutiny of these components leads to a refinement, specification, and extension of the conceptual tools and hypotheses developed by EPP. I also consider cases of reading disorders, namely developmental phonological dyslexia, high-functioning autism, and pure alexia. The reason is that reading disorders help specify the most important conditions of reading in both ‘normal’ and ‘pathological’ cases. Furthermore, reading disorders are interesting in their own right, because they unveil the fragility of socio-culturally shaped cognitive processes. They also contribute to the discovery of the plethora of sub-personally initiated neuronal and bodily strategies to compensate for certain cognitive deficits. This equally applies to developmental disorders (i.e., cases of dysculturation) and acquired disorders (i.e., cases of deculturation on the EPP construal). In summary, the EPP framework with its synergy of conceptual analysis and the interpretation of a vast array of empirical results leads to the development of new theses and hypotheses that are relevant to both philosophy and cognitive science.
In den letzten Jahren sind zahlreiche Versuche unternommen worden, die phylogenetischen und ontogenetischen Entwicklungsverläufe neuronaler Verarbeitung, verkörperlichter Handlung und sozio-kulturell beeinflusster kognitiver Praktiken zu erklären. Diese Versuche haben zu anhaltenden Debatten geführt. Sie betreffen die Details der neuronalen Realisierung kognitiver Funktionen, das Maß an Verkörperlichung, das für bestimmte kognitive Fähigkeiten erforderlich ist, sowie den Einfluss der sozio-kulturellen Umwelt auf bestimmte Klassen kognitiver Verarbeitungsroutinen. Diese Dissertation trägt auf entscheidende Weise zu diesen aktuellen Debatten in der Philosophie der Kognitionswissenschaft bei. Die Grundidee besteht darin, ein neues, integratives und vereinheitlichendes Bezugssystem für die begriffliche und empirische Untersuchung derjenigen kognitiven Prozesse zur Verfügung zu stellen, die sich durch die feingliedrige Wechselwirkung von neuronalen, körperlichen, und sozio-kulturell bestimmten Prozessen in unterschiedlichen Zeitrahmen charakterisieren lässt. Insbesondere argumentiere ich aus begrifflichen und empirischen Gründen dafür, dass sich das in der Entwicklung begriffene Bezugsystem der prädiktiven Verarbeitung zu der Theorie kognitiver Integration und ihrer Sichtweise auf Enkulturation komplementär verhält. Die daraus resultierende integrative Perspektive – in Kombination mit tiefgreifenden Überlegungen zu Modellen kognitiver Nischenkonstruktion, zur neuronalen Wiederwendung und zu neuronaler Plastizität – ermöglicht es auf einmalige Weise, kognitive Praktiken mit neuen begrifflichen Werkzeugen und empirisch informierten theoretischen Erkenntnissen zu untersuchen. Diese Perspektive nenne ich enkulturierte prädiktive Verarbeitung. Das entstehende Bezugssystem enkulturierter prädiktiver Verarbeitung wird auf die Untersuchung des Lesens angewendet, wobei die Annahme lautet, dass Lesen ein paradigmatischer Fall enkulturierter Kognition ist. Es handelt sich hierbei um eine ontogenetisch erworbene Fähigkeit, die das kognitive Leistungsvermögen eines Individuums auf signifikante Weise transformiert. Lesen wird durch die engmaschige dynamische Interaktion neuronaler und körperlicher (z. B. okular-motorischer) Teilprozesse realisiert. Diese Teilprozesse sind durch eine Anzahl kognitiver Normen beschränkt, die die erfolgreiche Manipulation von Vorkommnissen eines orthographischen Systems anleiten. Die Untersuchung dieses paradigmenbildenden Beispiels hat zwei, miteinander verbundene Vorteile. Einerseits ermöglicht die Perspektive enkulturierter prädiktiver Verarbeitung eine wohlinformierte Interpretation der empirischen Forschung zu bestimmten Komponenten des Lesens. Andererseits führt die kritische Betrachtung der entsprechenden Komponenten zu einer Verfeinerung, Spezifizierung und Erweiterung der begrifflichen Werkzeuge und Hypothesen, die von der enkulturierten prädiktiven Verarbeitung entwickelt werden. Ich berücksichtige zudem Lesestörungen, nämlich phonologische Legasthenie, hochfunktionalen Autismus und reine Alexie. Der Grund hierfür besteht darin, dass die Auseinandersetzung mit Lesestörungen dazu beiträgt, die wichtigsten Bedingungen des Lesens sowohl in ‚normalen‘ als auch in ‚pathologischen‘ Fällen zu spezifizieren. Darüber hinaus sind Lesestörungen an sich interessant, weil sie die Fragilität sozio-kulturell geformter kognitiver Prozesse freizulegen vermögen. Sie tragen auch zur Entdeckung der Vielfalt von subpersonal initiierten neuronalen und körperlichen Strategien bei, die gewisse kognitive Defizite kompensieren. Dies betrifft gleichermaßen Entwicklungsstörungen (d. h. Fälle von Dyskulturation) und erworbene Störungen (d. h. Fälle von Dekulturation). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Bezugsystem enkulturierter prädiktiver Verarbeitung, mit seiner Synergie aus begrifflicher Analyse und der Interpretation einer großen Anzahl empirischer Ergebnisse, dazu führt, neue Thesen und Hypothesen zu entwickeln, die sowohl für die Philosophie als auch für die Kognitionswissenschaft relevant sind.
DDC-Sachgruppe: 100 Philosophie
100 Philosophy
Veröffentlichende Institution: Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Organisationseinheit: FB 05 Philosophie und Philologie
Veröffentlichungsort: Mainz
ROR: https://ror.org/023b0x485
DOI: http://doi.org/10.25358/openscience-1974
URN: urn:nbn:de:hebis:77-diss-1000002856
Version: Original work
Publikationstyp: Dissertation
Nutzungsrechte: Urheberrechtsschutz
Informationen zu den Nutzungsrechten: https://rightsstatements.org/vocab/InC/1.0/
Enthalten in den Sammlungen:JGU-Publikationen

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